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Nachtkennzeichnung von Windparks

„Rechtssicherheit sieht anders aus“

Interview: Jörg-Rainer Zimmermann, 06.12.18
Die Lichter an Windparks sollen künftig nachts nur noch bei Bedarf blinken – das hat die Große Koalition beschlossen. Dabei helfen soll auch eine Technologie, der die Regierung bislang die Genehmigung versagte. Der Rechtsanwalt Oliver Frank sieht bei dem Thema noch einige offene Fragen.

Im neuen Energiesammelgesetz ist auch eine Neuregelung zur nächtlichen Beleuchtung von Windparks enthalten – die so genannte bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung (BNK). Die roten Lichter sollen in Zukunft bundesweit nur noch dann blinken, wenn sich ein Luftfahrzeug nähert. Bislang gab es dafür Primär- und Passivradar-Lösungen, die bereits in den Parks installiert werden. Jetzt hat das Bundeswirtschaftsministerium den Weg für den Einsatz von Transpondern in Flugzeugen geebnet, die Signale an die Parks aussenden.

neue energie: Herr Frank, die Windbranche hat sich vor rund zehn Jahren für den Einsatz von Transpondern ausgesprochen. Grünes Licht gab es damals jedoch nicht. Warum?

Oliver Frank: Als vor rund zehn Jahren über den Einsatz von Primärradar-, Passivradar- oder Transponder-Lösungen als BNK und deren Aufnahme in die Allgemeine Verwaltungsvorschrift [kurz: AVV] für die Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen diskutiert wurde, konnte die Branche zwar zeigen, dass alle Varianten funktionieren. Damals wollte das für die AVV federführend zuständige Bundesverkehrsministerium (BMVI) die Transponderlösung aber nicht genehmigen.

ne: Weshalb?

Frank: Es lag nicht an den Transpondern selbst. Vielmehr hatten Vertreter des BMVI beklagt, dass bei einem technischen Fehler kein Zweitsystem als Backup-Lösung verfügbar sei. Entsprechende Lösungsansätze, die vonseiten der Hersteller gemacht wurden – etwa durch den Einsatz einer sogenannten akustischen Kamera –, wurden allerdings schließlich nicht weiterverfolgt. Im September 2015 legte das BMVI in der AVV zur Kennzeichnung sogar fest, dass nur Technologien für die BNK zugelassen werden dürfen, die unabhängig von der Ausstattung von Luftfahrtzeugen funktionieren. Transponder sollten nur als ergänzende, nicht aber als eigenständige Lösung zugelassen werden. Zur Begründung wurde vorgebracht, dass ein Pilot im schlimmsten Fall nicht erkennen könne, dass sein Transponder nicht funktioniert. Dadurch ergebe sich eine Unfallgefahr.

ne: Wird das durch die gängige Praxis belegt?

Frank: Aus meiner Sicht nicht. Bereits vor zehn Jahren wurde mir von Privatpiloten bestätigt, dass jeder, der in der relevanten Flughöhe nachts unterwegs ist, einen eingeschalteten Transponder dabei hat. Auch wenn es für Luftfahrzeuge im nicht kontrollierten Luftraum Golf* zur Nachtzeit bislang keine Transponderpflicht gab, was sich nunmehr voraussichtlich mit dem Energiesammelgesetz ändert**, galt es unter Piloten auch bislang schon praktisch als Selbstmord, auf diese Geräte zu verzichten oder sie eben nicht einzuschalten. Darauf achtet auch die Flugsicherung. Mir wurde berichtet, dass die Flugsicherung den Piloten schon mal zur Landung auffordert, wenn seine Maschine auf dem Primärradar zu sehen ist, es aber keine entsprechenden Transponder-Signale gibt. Dennoch hat man im BMVI seinerzeit keine luftverkehrsrechtliche Möglichkeit gesehen, das Transpondersystem als Variante der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung zuzulassen.

* Die unterste Schicht des Luftraums, Anm. d. Red.

** Der Bundestag hat dem Gesetz bereits zugestimmt, der Bundesrat kann das Inkrafttreten möglicherweise noch verzögern.

ne: Die Transponderlösung ist also noch immer nicht für den Einsatz in der Praxis genehmigt, obwohl sie im Energiesammelgesetz als mögliche technische Lösung aufgenommen wurde?

Frank: Korrekt.

ne: Was geschieht, wenn sich ein Betreiber jetzt für die Transponderlösung entscheidet?

Frank: Damit kommt der Betreiber nach meiner Lesart seiner Pflicht aus Paragraf 9, Absatz 8 EEG (neu) nach, ein BNK-System zu installieren. Würde er kein BNK-System einbauen, bekäme der Betreiber künftig keine Vergütung. Entscheidet er sich für die Transponderlösung, dürfte er die BNK vor einer entsprechenden Änderung der AVV allerdings nicht in Betrieb nehmen. Die Technik erst zu installieren, sie dann aber nicht einschalten zu dürfen, wäre jedoch abstrus. Die Begründung zur Einführung der BNK-Pflicht lautete ja gerade, damit mehr Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen zu wollen. Dieses Ziel wäre dann glatt verfehlt.

ne: Gehen Sie davon aus, dass das BMVI die erforderliche Genehmigung zeitnah erteilen wird?

Frank: Ich gehe davon aus, dass das Wirtschaftsministerium mit der Fassung des Paragrafen 9, Absatz 8 EEG (neu) versucht hat, Handlungsdruck gegenüber dem BMVI aufzubauen. Der Zeitpunkt für die nötigen Änderungen in der AVV wäre derzeit nämlich günstig. Die Neufassung der Verwaltungsvorschrift soll nach jetzigem Stand im kommenden Sommer in Kraft treten. Es bleibt abzuwarten, ob die Transponderlösung darin berücksichtigt werden wird. Immerhin, zum Jahreswechsel will das BMVI den Entwurf der neuen AVV zur Verbändeanhörung vorlegen. Dann wird voraussichtlich Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Monaten bestehen.

ne: Seit der ersten Diskussion zur BNK ist viel Zeit vergangen, die Anlagentechnik hat sich rasant entwickelt. Sind Transponder überhaupt auf dem neuesten Stand und sofort einsatzbereit?

Frank: Es gibt tatsächlich einige offene Fragen. Die Transponder-Lösung war ja nach der Ablehnung durch das BMVI zunächst nicht mehr in Betracht gezogen worden.  Es wäre auch deshalb gut gewesen, wenn die Branche im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mehr Zeit gehabt hätte, sich mit der Thematik nochmals eingehend zu beschäftigen. Eine erste Information seitens der Ministerien gab es dazu jedoch erst Mitte Oktober. Wir hätten zudem auch bei anderen Fragen mehr Zeit benötigt, etwa welche Übergangszeiten man braucht, um Bestandswindparks auszurüsten.  

ne: Eine Weile sah der Gesetzentwurf für Neuanlagen eine BNK-Pflicht ab dem 1. Januar 2020 vor. Die Frist wurde dann aber verlängert...

Frank: Stimmt, die einheitliche Umsetzungsfrist für Alt- und Neuanlagen läuft jetzt bis zum 1. Juli 2020. Das mag Neuplanungen etwas mehr Zeit verschaffen. Sie ist aber für Altanlagen – schon aus logistischen Gründen – überaus ambitioniert. Mir fehlt überdies die durch die Branche vorgeschlagene Übergangsregelung von einem Jahr zwischen Inbetriebnahme der Neuanlage und der Beauftragung des standortspezifischen Gutachtens bei der Deutschen Flugsicherung. Dazu muss man wissen, dass die Zulassung für die entsprechenden BNK-Systeme in einem konkreten Projekt erst nach Genehmigung der Anlage und der Befliegung des konkreten Standorts mittels eines Gutachtens erteilt wird. Der Windpark muss also schon errichtet sein, dann kann erst eine BNK an Ort und Stelle zugelassen werden. Wie schnell die Flugsicherung arbeitet, liegt aber nicht in der Hand des Betreibers. Nach der nun beschlossenen gesetzlichen Formulierung entsteht der Anspruch auf die EEG-Vergütung aber erst nach erfolgter Ausstattung der Anlagen mit einem BNK-System.

ne: Wie sieht es bei den Altanlagen aus?

Frank: Grundlegend anders. Eine größere Summe in die BNK zu investieren, obwohl der Park vielleicht nur noch zwei Jahre steht, bis ein Repowering durchgeführt wird, erscheint ja kaum lohnenswert. Deshalb hat die Branche den Vorschlag gemacht, dass Anlagen, die bereits 15 Jahre oder älter sind, aus der BNK-Pflicht herausgenommen werden. Im Gesetz ist nun immerhin vorgesehen, dass die Bundesnetzagentur auf Antrag eines Betreibers eine Ausnahme von der BNK-Pflicht gewähren kann, wenn ansonsten das gesamte Projekt unwirtschaftlich würde. Das kann auch bei kleinen Windparkprojekten greifen. Wobei sich die Frage stellt, was mit „klein“ gemeint ist. Aus dem Gesetzestext geht das nicht hervor. In der zwischenzeitlich ergänzten Begründung findet sich aber, dass damit wohl Parks mit weniger als sechs Anlagen gemeint sein sollen. Das lässt sich zur Auslegung des Willens des Gesetzgebers heranziehen. Insgesamt soll es aber wohl um eng begrenzte Ausnahmefälle gehen.

ne: Die Bundesnetzagentur hat ja auch Einfluss auf die Fristen zur Umsetzung der BNK-Pflicht…

Frank: Ja, sie hat die Möglichkeit, die Umsetzungsfrist zu verlängern, wenn technische Einrichtungen innerhalb der gesetzten Frist nicht in einem ausreichenden Umfang am Markt angeboten werden. Ob oder in welchem Umfang das passiert, steht aber in den Sternen. Rechtssicherheit sieht anders aus.

ne: Favorisieren Sie eigentlich eine der verfügbaren technischen Lösungen?

Frank: Nein, ich spreche mich klar für Systemoffenheit aus, so wie ich das mit BWE-Präsident Hermann Albers auch in einem gemeinsamen Brief an die beiden Minister Altmaier und Scheuer getan habe. Es kann nur im Interesse der Branche sein, wenn sich ein Wettbewerb verschiedener Systeme und Anbieter entwickelt, der letztlich auch zu Kostenreduktion von BNK-Systemen führt. Nur dadurch wird ein möglichst flächendeckender Einsatz der BNK möglich. Da der Transponder nunmehr ausdrücklich Eingang in das Energiesammelgesetz gefunden hat, halte ich es aber für unerlässlich, die Transponderlösung in die AVV zu integrieren, um zu verhindern, dass zahlreiche Betreiber ihre Anlagen mit Transponderempfangssystemen ausstatten, die mangels Verankerung in der AVV letztlich nicht zur Schaltung der BNK eingesetzt werden dürfen.


Oliver Frank

ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Engemann und Partner. Er ist zudem Sprecher des Arbeitskreises Kennzeichnung im Bundesverband WindEnergie (BWE).

 

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