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Windkraft-Auktion

Bürgergesellschaften räumen erneut ab

Tim Altegör, 15.08.17
Fast ausschließlich Bürgerprojekte ohne Genehmigung, ein deutlich gesunkener Preis, ein eindeutiger regionaler Schwerpunkt: Kritiker dürfen sich durch die zweite Ausschreibung für Onshore-Wind bestätigt fühlen. Auch ein großer Gewinner der Auktion fordert Korrekturen am System.

Die Bundesnetzagentur hat heute (15. August) die Ergebnisse der zweiten Auktionsrunde für Onshore-Windkraftanlagen veröffentlicht. In einem zentralen Punkt gleichen sie jenen der ersten Runde, die seit Monaten für Unruhe und Diskussionen in der Branche sorgen: 95 Prozent der ausgeschriebenen Leistung von insgesamt 1000 Megawatt gingen an sogenannte Bürgerenergiegesellschaften, für die verschiedene Sonderregeln gelten. Unter anderem müssen sie zum Zeitpunkt des Gebots keine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz vorweisen, wodurch sich auch der Zeitrahmen, in dem sie ihre Projekte bauen müssen, um bis zu zwei Jahre verlängert. Zudem bestehen Zweifel, ob alle Projekte mit einem Zuschlag auch tatsächlich die Genehmigung erhalten.

Der Bundesverband WindEnergie (BWE) äußerte daher erneut die Sorge, der geplante Zubau für die Jahre nach 2018 könne verfehlt werden. Durch diese Unsicherheit gerieten Unternehmen der Branche „stark unter Druck“. Ähnliches gilt für den Preis je Kilowattstunde, der in dieser Auktion bei durchschnittlich 4,28 Cent landete. Das ist deutlich weniger als bei der ersten Runde im Mai, damals waren es noch 5,71 Cent. Netzagentur-Präsident Jochen Homann sprach von einem positiven Ergebnis aufgrund des starken Wettbewerbs.

Gebote über fast 2000 Megawatt gehen leer aus

Die Ausschreibung war doppelt überzeichnet, 281 Projekte über zusammen fast 3000 Megawatt reichten die Teilnehmer ein. Nur 67 davon kamen zum Zug. Die Netzagentur hatte zwar nur 1225 MW an genehmigten Projekten verzeichnet, die zur Ausschreibung zugelassen waren. Hinzu kamen jedoch die Bürgerenergiegesellschaften. Nach der ersten Auktion hatte der Bundestag kurzfristig beschlossen, dass sie für die Teilnahme an den ersten beiden Runden 2018 ebenfalls bereits eine Genehmigung haben müssen. In diesem Jahr gilt das noch nicht, im November steht noch eine weitere Ausschreibung über 1000 Megawatt an.

Die Grünen hatten dagegen in einem Entschließungsantrag gefordert, dass die Änderung dauerhaft ab der November-Runde gilt. Im Gegenzug sollte die Zahlung einer Erst- und Zweitsicherheit für Bürgerenergieprojekte entfallen. Diese Position sieht der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer nun bestätigt. Das Design der Ausschreibungen lasse zwar zu wünschen übrig. „Die Fehler wären aber leicht zu korrigieren“, so Krischer.

Der Erfolg der Bürgergebote sei „zunächst einmal sehr zu begrüßen“. Es müsse jedoch verhindert werden, „dass Projektierer die lockereren Bedingungen für Bürgerenergien ausnutzen“. Dieser Vorwurf steht seit der ersten Auktion im Raum. So befürchten Experten etwa, dass Projekte mit Bürgerenergie-Privilegien realisiert werden, später aber an ortsfremde Investoren verkauft werden. Um den Zubau für die künftigen Jahre sicherzustellen, fordert Krischer, dass nicht realisierte Projekte sofort erneut ausgeschrieben werden. Das ist bislang nicht vorgesehen.

Bei der regionalen Verteilung ergibt sich beim aktuellen Auktionsergebnis derweil ein etwas anderes Bild als noch im Mai. Das Netzausbaugebiet im Norden der Republik, in dem nur ein beschränkter Zubau stattfinden darf, war dieses Mal kein begrenzender Faktor. 322 Megawatt hätten dort maximal liegen dürfen. Stattdessen räumte der Osten ab: Dort liegt ein Großteil der erfolgreichen Gebote, der BWE sprach von 63 Prozent des Gesamtvolumens.

„Andauernde Wettbewerbsverzerrung“

Die Netzagentur wies zudem darauf hin, dass mit 690 Megawatt mehr als zwei Drittel der Zuschlagsmenge an Firmen ging, darunter 37 Bürgerenergiegesellschaften, die „zumindest organisatorisch einem einzelnen Projektierer zuzuordnen“ seien. Dabei handelt es sich um das Unternehmen UKA aus Meißen, wie eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage bestätigte.

Der Grund für den Fokus auf Bürgerprojekte liege in deren gesetzlich festgeschriebenen Wettbewerbsvorteilen. Nach den Erfahrungen der ersten Ausschreibung, bei der 96 Prozent der Zuschlagsmenge an Bürgerenergiegesellschaften in der Frühphase der Projektentwicklung gingen, habe man sich entschlossen, solchen Projekten „als erfahrener Projektentwickler zur Seite zu stehen“.

Zur Frage der Umsetzungswahrscheinlichkeit erklärte die Sprecherin, man sei sich sicher, „dass die Projekte zu diesen Preisen realisierbar sind“. Allerdings spreche sich das Unternehmen dafür aus, die Übergangsregel für 2018 zum Regelfall zu machen. Bei der Möglichkeit, die Genehmigung Jahre später einzureichen und in der Zwischenzeit weiterentwickelte Technologien zu nutzen, handele es sich um eine „andauernde Wettbewerbsverzerrung“. Daran habe man sich, wie andere Projektentwickler auch, angepasst.

Mit dem aktuellen Ausschreibungsergebnis gab die Bundesnetzagentur auch einen Zwischenstand bekannt, was ihre Überprüfung von Bürgerenergiegesellschaften aus der ersten Auktionsrunde angeht. Nach deren unerwarteter Dominanz wollte die Behörde abklären, ob sie die gesetzlichen Regeln einhalten. Das beinhaltet etwa eine Mindestanzahl von Mitgliedern, die im betreffenden Landkreis wohnen und das Verbot, im Vorfeld Absprachen zur späteren Überschreibung von Projektanteilen zu treffen. Ergebnis laut der Behörde: Es gebe „bislang keine Hinweise darauf, dass gegen die gesetzlichen Anforderungen verstoßen wurde“.

 

Kommentare (1)

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  • 19.08.17 - 18:33, Peter Held

    Für die sich noch im Vorplanungsstatium befindlichen Bürgerwindgesellschaften - z.B. weil die Potentialgebiete bei uns in SH noch nicht "fest" sind, - kommt ja dann wohl noch einiges auf uns zu. Wenn wir gezwungen werden die kompletten - oder Teile? - der Eignungsgutachten vorzulegen, um überhaupt an dem Ausschreibungsverfahren teilnehmen zu können, erhöht sich der Einsatz von notwendigem Risikokapital wohl erheblich. Bei unserer bäuerlichen und dörflichen Mitgliederstruktur wäre das ein kaum umsetzbares Finanzrisiko. Das würde den realen Bürgerwindparkgesellschaften die Akzeptanz kosten. Wenn dann doch Kapitalgesellschaften die Regie übernehmen zur Risikoverteilung und der Vorfinanzierung von diversen Gutachten hätten wir nur noch Pseudobürgerwindparkgesellschaften.
    Wie stellt sich der Bundesverband und natürlich insbesondere die Bundesregierung das sogenannte Chancengleichheitsverfahren vor? Gibt es Überlegungen zu einer abgemilderten Priviligierung von Bürgerwindparkgesellschaften?

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