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Erneuerbare Energien

Die Krux mit den Szenarien

Tim Altegör, 24.04.19
Wie viel Energie aus Erneuerbaren ist bis 2050 global möglich? Zwei aktuelle Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, fordern aber beide mehr politischen Einsatz. Währenddessen steht der renommierte World Energy Outlook erneut in der Kritik.

Die globale installierte Kapazität erneuerbarer Energien ist nach Angaben der internationalen Erneuerbaren-Agentur Irena 2018 um rund acht Prozent gestiegen. In den letzten Jahren fiel der Zuwachs damit relativ konstant aus. Den weitaus größten Anteil der neuen Anlagen machten Wind- und Solarenergie aus, die zusammen rund die Hälfte der Gesamtkapazität stellen. Die andere Hälfte stammt aus Wasserkraftwerken. Zwar übertrifft der Zubau erneuerbarer Energien mittlerweile jenen fossiler Kraftwerke, für eine CO2-arme Energieerzeugung müssten aber laut Irena mehr Staaten und Regionen deren Schließung einleiten.

Im April stellte die Agentur eine Studie zu den Potenzialen einer globalen Energiewende vor. Sie geht davon aus, dass 86 Prozent der weltweiten Stromnachfrage bis 2050 durch Ökoenergien gedeckt werden könnten, wenn entsprechend umgesteuert wird. Es gibt aber auch Szenarien, die einen höheren Wert für machbar halten. Eine Untersuchung der finnischen LUT-Universität und der Energy Watch Group, die ebenfalls im April erschienen ist, beschreibt, wie 100 Prozent erneuerbare Energien möglich wären – nicht nur im Stromsektor, sondern auch beim Heizen und im Verkehr.

Dafür sehen die Autoren unter anderem vor, Strom auch in den übrigen Sektoren im großen Maßstab einzusetzen. Wind- und Solarenergie allein würden dabei 96 Prozent der Stromversorgung abdecken. Eine Umsetzung sei keine technische oder finanzielle Frage, sondern eine des politischen Willens. Im Vergleich zu anderen Studien sind die Prämissen ambitioniert: Weder soll Atomkraft zum Einsatz kommen, noch CO2 im Nachhinein aus der Atmosphäre geholt werden, wie es beispielsweise der Weltklimarat IPCC in seinen Szenarien vorsieht.

Beschwerdebrief an die Energieagentur

Kritik an ihren Prognosen muss sich derweil die Internationale Energieagentur IEA gefallen lassen. In einem Brief monierten zahlreiche renommierte Akteure des Sektors, der jährliche World Energy Outlook der IEA mache nicht ausreichend deutlich, was für einen wirksamen Klimaschutz nötig sei. Die Unterzeichner, darunter die ehemalige Chefin des UN-Klimasekretariats Christiana Figueres sowie die Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström und Ottmar Edenhofer, stören sich zum einen am „New Policies Scenario“, das den Status Quo beschreibt.

Hier sei der Name irreführend, da die Welt mit diesem Szenario auf eine gefährliche Erderwärmung zusteuere. Die Alternative wiederum, das „Sustainable Development Scenario“, sei noch nicht genügend auf eine zumindest wahrscheinliche Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius ausgerichtet. In einem Antwortschreiben verteidigte IEA-Direktor Fatih Birol die Szenarien. Dass die Welt bei den CO2-Emissionen auf einem falschen Kurs sei, hebe die Agentur bei jeder Gelegenheit hervor. Auch die Energy Watch Group, die vom ehemaligen Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell geleitet wird, hatte die IEA in der Vergangenheit schon für ihre Prognosen kritisiert. Sie warf ihr wiederholt vor, die Ausbaurate erneuerbarer Energien zu unterschätzen.

 

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