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Mobilität

Zur Sauberkeit gezwungen

Katja Dombrowski, 29.06.20
Die EU hat Quoten für emissionsarme Busse festgelegt. Damit die Verkehrsbetriebe die Vorgaben für Deutschland erfüllen können, muss der Staat sie bei der Umrüstung ihrer Flotten unterstützen.

Der Verkehr wird immer mehr zum Sorgenkind der Europäischen Union. Sein Treibhausgasausstoß macht inzwischen mehr als ein Viertel der gesamten europäischen CO2 -Emissionen aus. Ein Weg, um diesen Anteil „bis Mitte des Jahrhunderts auf einen klaren Kurs in Richtung null zu bringen“, so die Zielvorgabe der EU, ist der Umstieg möglichst vieler Menschen auf Bus und Bahn - die dann allerdings möglichst ohne Verbrennungsmotoren unterwegs sein sollten.

Bei Bussen sind saubere Antriebe aber noch die große Ausnahme. Um sie nun stärker zu fördern, will die EU die Vergabe öffentlicher Aufträge nutzen und hat zu diesem Zweck ihre Clean-Vehicles-Richtlinie (Clean Vehicles Directive – CVD) verschärft. Die im vergangenen Juli in Kraft getretene Novelle legt verbindliche Quoten für emissionsarme Busse fest, die schon ab dem kommenden Jahr gelten. Die Anteile sind je nach EU-Land unterschiedlich, Deutschland ist in der Gruppe mit den höchsten Vorgaben.

Demnach müssen mindestens 45 Prozent der Busse bei öffentlichen Aufträgen, die dem EU-Vergabeverfahren unterliegen, ab August 2021 „sauber“ sein. Spätestens bis zu diesem Termin muss die nationale Umsetzung der Richtlinie geregelt sein; sie gilt für Vergabeverfahren, die ab dann starten. Ab 2026 liegt die Quote bei 65 Prozent. Sie gilt bis 2030, danach werden voraussichtlich neue Ziele festgelegt. Die Hälfte der „sauberen“ Busse müssen emissionsfrei fahren, die andere Hälfte emissionsarm. Darunter fallen alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff, Biokraftstoffe, synthetische und paraffinhaltige Kraftstoffe, Erdgas und Flüssiggas.

Große Herausforderungen für Verkehrsbetriebe

Die neuen Vorgaben stellen die Verkehrsbetriebe vor große Herausforderungen. Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sind aktuell rund 35000 Busse im regulären Linienbetrieb im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterwegs, also Fern- und Reisebusse, Sonderfahrten und Gelegenheitsverkehr nicht eingerechnet. Davon sind den Angaben zufolge nur etwa 400 batteriebetriebene Elektrobusse - kaum mehr als ein Prozent. Der Branchenverband erwartet, dass diese Zahl im Laufe des Jahres auf rund 1000 steigt. Hinzu kommen einige Oberleitungs-, Wasserstoff- und Hybridbusse, allerdings ebenfalls in überschaubarer Menge. Auch wenn einzelne Städte wie Hamburg, Berlin, Wiesbaden oder Heidelberg vorangehen, kann von einer Umstellung im großen Stil bislang nicht die Rede sein.

Gefordert ist diese sowieso nur bei Neuanschaffungen beziehungsweise neuen Vergaben. Wo diese anstehen, drohen allerdings erhebliche Mehrkosten. Zum einen sind die Busse selbst deutlich teurer: Ein E-Bus kostet laut VDV etwa 600 000 bis 700 000 Euro und damit doppelt so viel wie ein Diesel. Zum anderen muss in den meisten Fällen die nötige Infrastruktur mit aufgebaut werden. „Der Umstieg auf E-Busse endet nicht mit dem Austausch der Fahrzeuge – er vollzieht sich über Jahre. Betriebshöfe, Tankstellen, Netzanschlüsse und Werkstätten müssen um- beziehungsweise neugebaut werden“, erklärt VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Mehr Fahrzeuge nötig

„Da die Reichweiten von E-Bussen zunächst geringer sind, wird - nur um das Angebot zu halten - eine höhere Anzahl von Fahrzeugen und Fahrern gebraucht.“ Ähnliche Herausforderungen gibt es auch bei anderen Antriebsarten. Die verwendete Antriebstechnologie müsse immer zum Einsatzgebiet passen, betont Marcel Corneille, Geschäftsführer des Kölner Ingenieurbüros EMCEL, das Verkehrsunternehmen zur Umstellung auf alternative Antriebe berät. „Bei großen Fahrleistungen, wie sie besonders im ländlichen Raum vorkommen, bietet beispielsweise die Brennstoffzelle häufig Vorteile.“ Doch es fehlen Tankstellen, die den dafür nötigen Wasserstoff anbieten, und die Förderung ist im Vergleich zu Elektrobussen deutlich niedriger. „Aktuell kann man 40 bis 50 Prozent der Mehrkosten gegenüber Dieselbussen ersetzt bekommen“, so Corneille. Im Gespräch sei aber ein Programm, das bis zu 80 Prozent der Mehrkosten übernimmt, so wie es auch für E-Busse möglich ist.

Eine Reihe von Förderprogrammen auf europäischer, Bundes- und Landesebene sollen die Verkehrswende bei Bussen beschleunigen. Den angesprochenen satten Zuschuss von 80 Prozent für E-Busse gibt es vom Bundesumweltministerium, das dafür bis Ende 2021 insgesamt rund 300 Millionen Euro bereitstellt. Neben den Mehrkosten der Fahrzeuge werden auch die zusätzliche Infrastruktur und Personalschulungen bezuschusst, und zwar mit bis zu 40 Prozent. Für andere Antriebsarten sei die Förderung je nach Bundesland sehr unterschiedlich, kritisiert der VDV – bis hin zu gar keiner.

Subventionen reichen nicht

Nach Ansicht des Verbands reicht die derzeitige Subventionierung nicht aus, um die Quoten der CVD zu erreichen – dafür müssten die Förderprogramme „erheblich aufgestockt werden“. Und das wohl über einen längeren Zeitraum. Hersteller Daimler geht beispielsweise davon aus, dass CO2-neutrale Busse trotz des angestrebten Markthochlaufs auch in 20 Jahren noch höhere Anschaffungs- und Gesamtbetriebskosten haben werden als Dieselfahrzeuge. Martin Daum, Leiter von Daimler Trucks & Buses, fordert daher staatliche Lenkung, die über reine Kostenzuschüsse für Fahrzeuge und Infrastruktur hinausgeht: „Notwendig sind insbesondere eine europaweite Umstellung und Staffelung der Maut nach CO2 - Werten, wobei CO2 -neutrale Fahrzeuge eine signifikante Mauterleichterung bekommen sollten, ein gezieltes Förderprogramm für Busse sowie für eine flächendeckende Lade- und Wasserstoff-Infrastruktur und auch einheitliche Standards für den Transport und das Tanken von Wasserstoff.“

Branchenkenner Corneille geht davon aus, dass allein die neue EU-Richtlinie den Markt beschleunigen und dass Deutschland die Quoten erfüllen wird – allerdings bundesweit gerechnet und nicht in jedem einzelnen Verkehrsunternehmen, wie es die CVD eigentlich vorsieht. Zugpferde wären dabei große Städte, während auf dem Land vielerorts zunächst weiterhin Dieselbusse unterwegs wären. Eine solche Bundesquote fordert unter anderem der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). In seinem Positionspapier zur nationalen Umsetzung der CVD schreibt er, kleine Unternehmen dürften finanziell nicht überfordert und Unternehmen im ländlichen Raum ohne Luftschadstoffprobleme nicht in Mithaftung für den Dieselbetrug der Autokonzerne genommen werden. „Entsprechend plädiert der BDO ganz entschieden für eine bundesweite Beschaffungsquote. Eine Quote pro Beschaffungsvorgang wird den regionalen Besonderheiten vor Ort nicht gerecht.“

Auch der VDV fordert, „den per se umweltfreundlichen ÖPNV nicht durch zu ambitionierte Quoten oder Regelungen zu überfordern“. Zwischen der Aufgabe, das Angebot auszuweiten, sprich mehr Busse fahren zu lassen, damit mehr Menschen vom Auto umsteigen, und der Vorgabe für saubere Busse sieht er einen Widerspruch. Ersteres gehe „aktuell am schnellsten und kostengünstigsten über die Anschaffung von Dieselbussen“, erklärt Wortmann. Dem stimmt auch Corneille zu und ergänzt: „Es gibt auch noch weitere Ziele: Die Welt hat sich darauf geeinigt, bis Mitte des Jahrhunderts emissionsfrei zu werden. Es ist sinnvoll, damit langsam mal anzufangen.“


Dieser Artikel ist zuerst in der Ausgabe 04/2020 von neue energie erschienen.

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