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Klimapolitik

Regierung beschließt Energiecharta-Ausstieg

Tim Altegör, 01.12.22
Das Bundeskabinett hat sich auf Deutschlands Rücktritt vom als Klimaschutz-Hindernis geltenden Energiecharta-Vertrag verständigt. Andere europäische Länder gehen den gleichen Weg, auch die EU wird zum Austritt aufgefordert.

Die Bundesregierung hat bei ihrer Kabinettssitzung am 30. November den Austritt Deutschlands aus dem internationalen Energiecharta-Vertrag beschlossen. Dies werde nun formal eingeleitet und solle noch vor dem Jahresende wirksam werden, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Das Abkommen ist seit 1998 in Kraft und soll in den Unterzeichnerstaaten Rechtssicherheit für ausländische Investoren gewährleisten.

Die Energiecharta gilt allerdings vielen Kritikern als Hemmnis für den Klimaschutz, da Unternehmen damit gegen den Ausstieg aus fossilen Technologien vorgehen können, indem sie vor privaten Schiedsgerichten auf teils milliardenschwere Entschädigungen klagen. Diesen Weg hat zum Beispiel der deutsche Energiekonzern RWE beschritten, der die Niederlande für ihren Kohleausstieg verklagt, welcher keine Entschädigungen für die Betreiber vorsieht.

Reform gescheitert

Der Vertrag sei „ein Hindernis für die Energiewende und ist schlicht nicht vereinbar mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens“, sagte auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Kabinettsbeschluss. Der Rücktritt Deutschlands sei „ein wichtiger Schritt für mehr Klimaschutz“. Die Energiecharta sieht vor, dass ihre Regelungen nach Austritt eines Landes weitere 20 Jahre lang gelten.

Italien ist bereits ausgetreten, weitere EU-Länder wie Spanien, Frankreich, Polen und die Niederlande haben dies angekündigt. Im Herbst 2021 hat der Europäische Gerichtshof zudem entschieden, dass die Energiecharta bei Streitigkeiten innerhalb der EU nicht gelte. Die Europäische Kommission hatte zuletzt noch an einer Reform des Vertrags gearbeitet, fand im November dafür aber keine Mehrheit im Rat der Mitgliedsländer.

Bundesregierung setzt auf Handelsabkommen

Am 24. November forderte zudem die Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament per Beschluss den Austritt der EU – die ebenfalls Mitglied ist – aus der Energiecharta. Diese sei „eine Bremse für die Klimamaßnahmen der EU“, kommentierte die Berichterstatterin des Parlaments für das Thema, Anna Cavazzini (Grüne/EFA). Die vorgeschlagene Neufassung habe „viele Schlupflöcher“ und halte am System der Schiedsgerichte fest.

Die deutsche Bundesregierung will sich nach eigener Aussage ebenfalls dafür einsetzen, dass auch ein Rücktritt der EU erfolgt. Handelspolitisch will sie sich stattdessen für den Abschluss von Freihandelsabkommen einsetzen, etwa mit Kanada (die Ratifizierung des Ceta-Abkommens läuft gerade), Chile und Mexiko. Das geht aus einem parallel beschlossenen Eckpunktepapier hervor.

Derartige Abkommen stießen in den vergangenen Jahren aus ähnlichen Gründen wie bei der Energiecharta auf große Widerstände, beispielsweise das geplante TTIP-Abkommen mit den USA. Kritiker befürchten eine Aushöhlung von Umwelt- und Sozialstandards, auch Schiedsgerichte sind üblicher Bestandteil. Die Bundesregierung verspricht nun, Abkommen auszuhandeln, die unter anderem den Pariser Klimavertrag respektieren. Nachhaltigkeit werde „wesentlicher Bestandteil“ sein, so Habeck.

 

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