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Energiepolitik

Koalition einigt sich beim Erneuerbaren-Ausbau

Jörg-Rainer Zimmermann, 31.10.18
(Aktualisiert am 7.11.) Nach langem Streit haben sich Vertreter von Union und SPD geeinigt, wie sie die geplanten Sonderausschreibungen für Wind- und Solarenergie umsetzen wollen. Sie sollen nun auf drei beziehungsweise sechs Jahre gestreckt werden. Nicht alle Abgeordneten sind damit einverstanden.

Das monatelange Warten hat ein Ende, die Koalition hat sich auf wichtige Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau der Windenergie an Land und der Photovoltaik geeinigt und den Entwurf zum neuen Energiesammelgesetz vorgelegt. Darin sind Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes sowie des Energiewirtschaftsgesetzes enthalten.

Sprecher der Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt bestätigten am 31. Oktober, dass hinsichtlich der bislang strittigen Ausgestaltung der Sonderausschreibungen für Wind- und Solarenergie eine Einigung vorliege. „Der Weg ins Bundeskabinett ist frei“, erklärte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Dort wurde der Entwurf am 5. November durchgewinkt. Nach einer weiteren Runde in den Koalitionsfraktionen beschäftigt sich nun der Bundestag mit den Neuregelungen. Dort könnte es noch einmal zu heißen Debatten kommen.

Besonders der Streit zwischen Union und SPD zur Frage, über welchen Zeitraum die Sonderausschreibungen erfolgen sollten, hatte zuletzt viel Zeit gekostet. Der im März geschlossene Koalitionsvertrag sieht vor, in den Jahren 2019 und 2020 jährlich jeweils 2000 Megawatt (MW) Onshore-Wind- und Solar-Leistung in Ausschreibungen zu vergeben – zusätzlich zu den im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegten Mengen. Dies soll helfen, den für diese beiden Jahre erwarteten Marktrückgang zu kompensieren.

Da jüngste Ausschreibungsrunden im Windsektor allerdings aufgrund eines Mangels an genehmigten Projekten unterzeichnet waren und deshalb die jeweils ausgeschriebenen Mengen nur zum Teil vergeben werden konnten, hatte die Union vorgeschlagen, die Volumina auf drei Jahre zu strecken. Ein weiteres Argument dafür sind fehlende Stromnetze – laut Koalitionsvertrag soll sich der Ausbau der erneuerbaren Energien an den Fortschritten beim Leitungsbau orientieren. Die nun erfolgte Einigung sieht konkret vor, dass 2019 zunächst nur 1000 MW Windleistung zusätzlich ausgeschrieben werden, im Jahr darauf dann 1400 MW und 2021 schließlich 1600 MW.

neue energie lag vorab eine vom BMWi erstellte Themenliste zu dem Gesetz vor. Darin war bereits enthalten, dass nicht vergebene Restmengen auf die Jahre 2022 bis 2024 übertragen werden sollten. Damit könnte es faktisch zu einer Streckung der Sonderausschreibungen auf sechs Jahre kommen. Dieser Punkt findet sich auch in dem vom Kabinett verabschiedeten Text wieder.

Kritik aus den Reihen der SPD

In der SPD war die Regelung auf Widerstand gestoßen. Bis Ende Oktober pochten Fraktionsmitglieder auf die Umsetzung der Sonderausschreibungen entsprechend dem Koalitionsvertrag. Ähnlich hatte sich zu diesem Zeitpunkt auch ein Sprecher des SPD-geführten Umweltministeriums geäußert. So ist es nicht erstaunlich, dass die schließlich erfolgte Übereinkunft zwischen den beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen in den Reihen der SPD durchaus kritisch gesehen wird. „Die von Bundesminister Altmaier vorgelegte Einigung zu Sonderausschreibungen ist nicht akzeptabel“, erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer in einer ersten Stellungnahme. Sie unterschreite die bis 2020 vereinbarten Ausschreibungsmengen.

Johann Saathoff, energiepolitischer Koordinator der SPD-Bundestagsfraktion, hatte sich ebenfalls für die Durchführung der Sonderausschreibungen in den Jahren 2019 und 2020 ausgesprochen. Angesichts des jetzt vorliegenden Ergebnisses betont Saathoff, dass viele von der Union geforderten Punkte aber nicht ins Energiesammelgesetz aufgenommen worden seien: „Wir konnten verhindern, dass künftig nur 70 Prozent der ausgeschriebenen Volumen einen Zuschlag erhalten, der Einspeisevorrang für erneuerbare Energien abgeschafft wird und nach dem Beispiel Bayerns restriktive Abstandsregeln zwischen Windparks und Wohnbebauung bundesweit eingeführt werden.“

Weiterhin offen ist allerdings, welche Erneuerbaren-Zubaumengen für die Jahre von 2022 bis 2030 gelten sollen. „Die dazu eingesetzte Arbeitsgruppe soll bis kommenden März Vorschläge zu diesem Punkt machen“, sagt Saathoff. Noch vor einigen Wochen hatten Vertreter des BMWi in Aussicht gestellt, dass dazu im Energiesammelgesetz konkrete Volumina enthalten sein sollten. Dies scheiterte wohl auch an dem Umstand, dass der langjährige Unionsfraktionschef Volker Kauder Ende September durch Ralph Brinkhaus abgelöst wurde. Kauder hätte den BMWi-Vorschlag mit der Fraktion abstimmen sollen, woraus aber nichts mehr wurde.

Vor diesem Hintergrund beklagt die Branche, dass auch nach der nun erfolgten Einigung in der Koalition bislang nicht erkennbar ist, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien stabilisiert werden kann. Beim Bundesverband Solarwirtschaft erwartet man, dass die Sonderausschreibungen einen für die Zeit ab 2020 erwarteten Markteinbruch nicht kompensieren könnten. Schuld ist der seit 2012 bestehende 52-Gigawatt-Deckel. Wird dieses Volumen in Deutschland erreicht, erhalten die Anlagen keine EEG-Vergütung mehr – ein ungelöstes Problem. Zudem wird die Absicht kritisiert, die Vergütung für Solaranlagen mit einer Leistung von 40 bis 750 Kilowatt von aktuell 10,68 auf 8,33 Cent je Kilowattstunde zu senken. Das könnte das Aus für viele Mieterstromprojekte bedeuten. Unterstützung erhält die Branche an dieser Stelle wiederum von SPD-Abgeordneten, wie auch von den Grünen. Aktuell versuchen viele Solarprojektierer, ihre Vorhaben schnellstmöglich voranzutreiben, noch bevor das neue Gesetz zum Jahreswechsel in Kraft tritt.

Windbranche reagiert enttäuscht bis verhalten

Auch bei den Offshore-Vertretern ist man enttäuscht. „Der im Koalitionsvertrag vorgesehene kurzfristige Sonderbeitrag Offshore-Wind findet sich leider nicht in der Vereinbarung wieder. Damit werden klimapolitische und energiewirtschaftliche Chancen unnötig vertan“, sagt Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie. Geplant war eigentlich, noch in diesem Jahr einen solchen Sonderbeitrag von bis zu 1,5 Gigawatt Offshore-Leistung auf den Weg zu bringen. Dazu findet sich im Gesetzesentwurf nichts. Allerdings gibt es aus dem BMWi Signale, in der weiteren Folge die Offshore-Ausbauziele anzuheben.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßt zwar, dass die Hängepartie der vergangenen Monate zunächst beendet zu sein scheint. Kritisch wird dort jedoch gesehen, dass die Regeln für Innovationsausschreibungen, die jetzt konkretisiert wurden, stark restriktiv seien und unterm Strich nicht zu mehr Erneuerbaren-Anlagen führten, als bislang ohnehin geplant. „Anders als im EEG von 2017 vorgesehen, werden diese Volumen von den regulären Ausschreibungsmengen abgezogen. Sie sollten aber als zusätzliche Größe zur Erreichung der Energiewendeziele ausgeschrieben werden“, fordert BWE-Präsident Hermann Albers.

Auch wenn derzeit ein Mangel an genehmigten Projekten herrscht, sieht man in der Branche mit Sorge, dass die nicht an eine bestimmte Technologie gebundenen Innovationsausschreibungen je nach künftiger Ausgestaltung zur weiteren Hürde für die Windenergie werden könnten. Zunächst nämlich sollen bis 2021 die Volumina in drei Etappen bis auf 500 Megawatt angehoben werden. Läuft es gut, könnten es in der Folge bis zu 1500 Megawatt werden. Entfallen diese wie geplant bei den konventionellen Wind- und Solarauktionen, werden die Rahmenbedingungen für beide Sparten noch unsicherer – besonders weil jeweils lange Planungsvorläufe einzukalkulieren sind.

Angesichts des im Koalitionsvertrag formulierten Ziels, den Erneuerbaren-Anteil in Deutschland bis 2030 auf 65 Prozent anzuheben, sind stabile Marktbedingungen und Klarheit in der Frage nach den künftigen jährlichen Zubaumengen jedoch zentral. Laut einer Schätzung des Thinktanks Agora Energiewende (siehe Grafik) müssten zur Realisierung des 65-Prozent-Ziels ab 2022 jährlich 5000 MW Solar und 4000 MW Onshore-Wind neu aufgestellt werden. Von solchen Mengen ist man aktuell weit entfernt. Im laufenden Jahr dürfte der Windsektor auf maximal 3500 MW kommen, die Photovoltaik könnte es vielleicht auf 2500 MW schaffen. Auch wenn nach dem Bundeskabinett nun auch noch der Bundestag grünes Licht gibt, damit das Sammelgesetz wie geplant am 1. Januar 2019 in Kraft treten kann – wie die Bundesregierung ihre Erneuerbaren-Ziele erreichen kann, bleibt nach wie vor offen.

 

Quelle: Agora Energiewende

 

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