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CO2-Preis

„Der einzige Weg ist, national voranzugehen“

Interview: Tim Altegör, 24.07.17
Jörg Lange setzt sich als Vereinsvorstand für eine CO2-Abgabe in Deutschland ein. Auf die internationale Politik will er nicht warten und plant, gleich auch die deutschen Energiesteuern einfacher zu machen.

neue energie: Herr Lange, Sie haben mit 120 anderen Mitgliedern im März einen Verein gegründet, der nur ein Ziel hat: die Erhebung einer CO2-Abgabe in Deutschland. Warum halten Sie das für so zentral?

Jörg Lange: Wir haben uns vor einem halben Jahr zusammengesetzt und überlegt, was sich im Energiebereich alles ändern müsste, um den Klimaschutz voranzutreiben. Der liegt im Moment ja relativ brach, 2016 sind die CO2-Emissionen wieder gestiegen statt zu sinken. Wir sind dann ganz schnell auf 30 Punkte gekommen, haben aufgehört zu brainstormen und uns stattdessen gefragt: Was wäre der eine Punkt mit der größten Wirkung? Und das sind eben nationale CO2-Preise.

neue energie: Warum national und nicht europäisch, oder gar global?

Lange: Seit Anfang des Jahres ist relativ klar, dass der europäische Emissionshandel keine Fahrt aufnehmen wird. Vor 2025 kommen dort keine wirkungsvollen Preise zustande. Wenn man die internationale Diskussion verfolgt, ist im Moment auch über Europa hinaus nicht zu erwarten, dass es weltweite CO2-Preise gibt, die in Deutschland tatsächlich einen Effekt für den Klimaschutz haben. Es wird aber jetzt höchste Zeit, wenn wir es damit ernst meinen. Deshalb gehen wir von der These aus: Unter den jetzigen politischen Bedingungen funktioniert ein weltweiter CO2-Preis nur über nationale Initiativen. Der einzige Weg ist, national voranzugehen.

neue energie: Funktioniert das in Zeiten von europäischem Energiemarkt und Globalisierung?

Lange: In Großbritannien hat der Mindestpreis dazu geführt, dass die Kohlekraftwerke nicht mehr über den normalen Strombörsenpreis finanziert werden, sondern nur noch über den britischen Kapazitätsmarkt. Dadurch gibt es zeitweise keine Kohlestromproduktion mehr in England. Das war für uns ein Zeichen: Es gibt nationale CO2-Preise, die wirken. Ein nationaler Einstieg ist leichter durchzusetzen und man kann ihn sehr gut an die jeweiligen Rahmenbedingungen anpassen, die auch innerhalb Europas unterschiedlich sind. In Deutschland zum Beispiel haben wir als spezielle Situation ein sehr kompliziertes System aus Umlagen und Abgaben. Unser Konzept verbindet deshalb die CO2-Abgabe mit einer Energiesteuerreform.

neue energie: Wie soll das aussehen?

Lange: Wir finanzieren mit den Einnahmen aus der CO2-Abgabe viele andere Steuern und Umlagen auf Energie. An erster Stelle ist natürlich die EEG-Umlage zu nennen, mit 6,88 Cent je Kilowattstunde für die privaten Haushalte, aber auch für viele mittelständische Unternehmen. Wir wollen also keine zusätzlichen Einnahmen damit kreieren, sondern eine klimapolitische Steuerung ermöglichen. Das beste Beispiel ist die Stromsteuer. Sie wird momentan auf jede Kilowattstunde erhoben, ob erneuerbare oder fossile Kraftwerke, spielt dabei keine Rolle. Das wollen wir ändern.

neue energie: Die Förderung von Wind- und Solaranlagen würde also aus der CO2-Abgabe finanziert?

Lange: Genau, unter anderem.

neue energie: Wie wirkt sich das auf die unterschiedlichen Energiepreise aus?

Lange: Mit unserem Modell wären Diesel und Benzin aktuell ungefähr zwölf Cent pro Liter teurer, Erdgas und Heizöl, die ja schon eine geringfügige Energiesteuer haben, um vier Cent pro Kubikmeter beziehungsweise sechs Cent pro Liter. Strom wäre dafür deutlich günstiger und insgesamt würden die meisten Verbraucher und Unternehmer zumindest zu Beginn profitieren.

neue energie: Wie viel würde denn eine Tonne CO2 kosten?

Lange: Wir schlagen der Politik zwei Varianten vor. Beide starten 2018 mit 40 Euro die Tonne, daraufhin steigt der Preis kontinuierlich an. Wenn man die Stromsteuer abschafft, wie es beispielsweise in der FDP und bei den Grünen diskutiert wird, wären die 40 Euro schon jetzt aufkommensneutral. Das heißt, man würde dadurch so viel Geld einnehmen, dass die bestehenden Umlagen und Steuern kompensiert wären. Ab dem Jahr 2031 läge der Preis dann bei 80 Euro. Alternativ müssten die Kosten zu Beginn teilweise vorfinanziert werden. Das wird später kompensiert durch Mehreinnahmen, indem der CO2-Preis in dieser Variante bis 2050 auf 145 Euro steigt. Die Zahlen sind orientiert an Berechnungen des Umweltbundesamts zu den Schadenskosten von CO2-Emissionen. Dahinter sollte man nicht zurückfallen. Wer CO2 emittiert, soll auch den Schaden bezahlen, der dadurch entsteht.

neue energie: Besteht dabei nicht die Gefahr von Carbon Leakage, dem Verlagern der Emissionen ins günstigere Ausland?

Lange: Im Moment ist es umgekehrt. Energieintensive Unternehmen wandern nach Deutschland, weil Strom für diejenigen, die von Netzentgelten und Umlagen befreit sind, so günstig ist. Auch ein Netto-Stromexport von 53 Milliarden Kilowattstunden spricht dafür, dass Carbon Leakage eher vom Ausland nach Deutschland stattfindet. In unserem Modell würde der Preis pro Tonne CO2 jährlich um etwa drei Euro steigen. Das ist aus unserer Sicht überschaubar, planbar und damit auch ein verlässliches Instrument. Bei 40 Euro die Tonne würden auf die energieintensive Industrie zusätzliche Kosten von ungefähr 1,7 Milliarden Euro zukommen. 2016 haben diese Unternehmen bei den Energie- und Strompreisen Ausnahmen von 17 Milliarden Euro genossen. Es geht also um gerade einmal zehn Prozent weniger Entlastungen als bisher. Dafür profitieren Privathaushalte und mittelständische Unternehmen, weil wir aufkommensneutral sind. Das wäre auch sozial gerechter. Notfalls gäbe es andere Möglichkeiten, die treibhausgasintensive Industrie zu entlasten. Von der CO2-Abgabe darf es aber keine Ausnahmen geben, das ist ganz wichtig.

neue energie: Wie verhält sich die Abgabe zum europäischen Emissionshandel? Müssten Unternehmen künftig zweimal für ihre Emissionen zahlen?

Lange: Das haben wir berücksichtigt. Für diejenigen, die tatsächlich etwas für ihre CO2-Zertifikate bezahlen – viele zahlen ja nichts –, würde die Abgabe entsprechend gesenkt, derzeit also um circa fünf Euro die Tonne. Der Emissionshandel und die CO2-Abgabe sind miteinander vereinbar.

neue energie: Und wie wollen Sie erreichen, dass Ihr Konzept bei den politischen Entscheidern ankommt und tatsächlich umgesetzt wird?

Lange: Wir versuchen, die CO2-Abgabe breit ins Gespräch zu bringen und mit anderen Institutionen zusammenzuarbeiten, die sich auf diesem Feld schon länger engagieren. Aber wir wollen keine ganz typische Lobbyarbeit betreiben, sondern regional Unternehmer und Bundestagspolitiker für Diskussionen an einen Tisch bringen. Die mittelständischen Unternehmen sind diejenigen, die momentan vom Kuchen der ganzen Energiesteuern und -umlagen am meisten bezahlen. Und die meisten Geschäftsführer haben das vielleicht irgendwie im Hinterkopf, aber gar nicht die Zeit, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen. Die wollen wir ein bisschen aufrütteln und im Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten Druck in diese Richtung aufbauen.

neue energie: Im Vorfeld der Bundestagswahl, oder auch darüber hinaus?

Lange: So lange, bis die CO2-Abgabe eingeführt ist. Das kann auch in zwei Jahren passieren.

 


Das Interview ist zuerst in der Juli-Ausgabe von neue energie erschienen.

Zur Person:

Jörg Lange ist Vorstand des Vereins für eine nationale CO2-Abgabe, der im März 2017 von 120 Privatpersonen und Unternehmen in Freiburg gegründet wurde. Der Biologe hat dort am sozialökologischen Quartier Vauban mitgewirkt und ist unter anderem geschäftsführender Vorstand eines Stadtteilzentrums.

Mehr zum Konzept des Vereins auf auf www.co2abgabe.de

Den Berechnungen liegt ein Szenario des Energieforschers Joachim Nitsch zugrunde, der auch Vereinsmitglied ist. Eine ausführliche Darstellung finden Sie hier.

 

Im Überblick: Aktuelle Vorschläge für einen CO2-Preis in Deutschland

Akteur Instrument Preis (pro Tonne CO2) Erhoffter Effekt
Verwendung der Einnahmen Außerdem
Bundesverband Erneuerbare Energie

CO2-Steuer auf fossile Energie im Strom- und Wärmesektor

Strom: 20 €, bei negativen Börsenpreisen
75 €

Wärme: 25 € (Stromsektor plus aktueller Preis im Emissionshandel)

Fairer Wettbewerb; Preissignal für Umstieg auf Erneuerbare;
Verdrängung von Braunkohle; sinkende EEG-Umlage

Strom: CO2-Steuer ersetzt Stromsteuer im Bundeshaushalt

Wärme: Pauschale Rückerstattung an Bürger und Unternehmen (Vorbild Schweiz)

Schrittweise Anhebung, wenn Klimaziele nicht erreicht werden
Bürgerlobby Klimaschutz

Abgabe auf alle CO2-Emissionen

(Verrechnung mit Emissionshandel, wirkt im Stromsektor damit als CO2-Mindestpreis)

Minimum 20 €, kontinuierlich steigend, mittelfristig 80 € Internalisierung von Klimakosten; klimafreundliche Alternativen setzen sich ohne Förderung durch; nationale Klimaziele werden erreicht

Klimadividende

(pauschale Ausschüttung der Einnahmen an die Bevölkerung)

Nationale Übergangslösung, Fernziel internationale CO2-Preise;
Grenzausgleich für CO2-intensive Produkte wie Zement oder Stahl; Mögliche Ausnahmen für energieintensive Industrie

CO2-Abgabe e.V.

Nationale CO2-Abgabe

(Verrechnung mit Emissionshandel)

40 € ab 2018, kontinuierlich um etwa 3 € im Jahr steigend, bis auf 80 € (2031) bzw. 145 € (2050)

Strom wird im Verhältnis zu Wärme und Verkehr günstiger; Haushalte und Mittelstand werden gegenüber Industrie entlastet; nationale Klimaziele werden erreicht

Viele Steuern und Abgaben werden aufkommensneutral ersetzt, v.a. die EEG-Umlage

Abschaffung der Stromsteuer als Option;
keine Ausnahmen für energieintensive Industrie; Abgabe auf Importstrom denkbar

Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft

Sektorenübergreifender CO2-Preis

(und Harmonisierung der Energiesteuern innerhalb der Sektoren)

Zunächst 30 €, steigt auf mindestens 80 € Einheitliches CO2-Preissignal; nationale Klimaziele werden effizient erreicht Denkbar: Senkung der Stromsteuer, Ausschüttung an Bürger und Unternehmen, gezielter Sozialausgleich, Investitionen in klimafreundliche Infrastruktur

Möglichst Kooperation mit Nachbarstaaten;
Abbau klimaschädlicher Subventionen;
Entlastung des Faktors Arbeit im Rahmen einer nachhaltigen Finanzreform

Schultz Project Consult

CO2-Steuer

(Ökologische Steuerreform 2.0)

(Verrechnung mit Emissionshandel)

Generell: 100 €

Für Kraftstoffe:
200 € (sonst deutlich günstiger als heute)

ineffiziente fossile Kraftwerke werden unrentabel, Gaskraftwerke gewinnen;
Erneuerbare werden in den Strommarkt integriert;
EEG-Umlage sinkt oder entfällt; schnelle CO2-Minderung im Wärmesektor;
Diesel wird teurer als Benzin

Bisherige Energiesteuern werden ersetzt;
zunächst mehr als 40 Mrd. Überschuss (sinkend bis ca. 2035), Vorschläge u.a.: Rente, Strukturwandel in Braunkohleregionen

Indirekte CO2-Steuer auf Stromimporte, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden;
Rückerstattungen für energieintensive Industrie

 

 

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