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Bundesregierung

Auch deutsches EU-Klimaziel wird verfehlt

Joachim Wille, 25.01.18
Das eigene Klimaziel für 2020 haben CDU/CSU und SPD schon aufgegeben, jetzt zeichnet sich ab: Auch seinen Beitrag zum EU-Ziel kann Deutschland nicht einhalten – und muss jetzt wohl anderen Ländern ihre gesparten Emissionen abkaufen.

Eigentlich hätte ihr der Satz peinlich sein müssen. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) beklagte am Mittwoch auf dem Weltwirtschaftsgipfel, bei der „großen Herausforderung des Klimaschutzes“ müsse die Weltgemeinschaft „leider ohne die Beteiligung der USA“ auskommen. Deren Präsident ist bekanntlich ein Fan der fossilen Energien. Doch Merkel war in den vergangenen zwölf Jahren ebenfalls Chefin von drei Regierungen, die beim Klimaschutz versagten. Jetzt wurde bekannt: Deutschland wird nicht nur das eigene nationale CO2-Ziel für 2020 verfehlen, sondern auch die – weniger ambitionierten, aber rechtlich verbindlichen – Vorgaben der EU. Dafür drohen sogar Strafzahlungen.

Bei den Groko-Sondierungen vorige Woche hatten Union und SPD eingeräumt, dass die 2007 ebenfalls von diesen Parteien beschlossene 2020er Zielmarke von minus 40 Prozent CO2 praktisch nicht mehr zu schaffen ist. Erreicht sind nämlich erst rund 27 Prozent, gemessen am Basisjahr 1990. Nun folgte die zweite Schlappe mit Ankündigung: Die von der EU für die Bereiche Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft vorgegebenen Klimaziele für 2020 sind ebenfalls praktisch außer Reichweite.

„Stand heute“ seien sie nicht erreichbar, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Derzeit mache Deutschland keine ausreichenden Fortschritte beim Klimaschutz. Anlass für dieses Eingeständnis ist der Bericht über der Stand beim CO2-Sparen, den Berlin jährlich an die EU-Kommission schicken muss. Und hier war nur zwei Jahre vor der Deadline keine Schönfärberei mehr möglich. Um nicht vertragsbrüchig zu werden, muss die Bundesregierung bei der Endabrechnung anderen EU-Staaten, die ihre CO2-Ziele übererfüllen, Emissionsrechte abkaufen.

In Verkehr und Landwirtschaft herrscht Stillstand

Die Bundesrepublik ist verpflichtet, in den Sektoren, die nicht wie Stromproduktion und Industrie dem EU-Emissionshandel unterliegen, den Treibhausgas-Ausstoß um 14 Prozent gegenüber dem Wert von 2005 zu senken. Bisher wurden die dafür festgesetzten Jahresziele immer erreicht und sogar übererfüllt. 2016 allerdings hat Deutschland das Budget erstmals überschritten, und zwar laut Ministerium um 1,8 Millionen Tonnen. Hauptproblem ist der Verkehr, dessen Emissionen sogar angestiegen sind. Doch auch die Landwirtschaft verfehlt ihre Reduktionspflicht deutlich, hier sinkt der Treibhausgasausstoß seit 2000 nicht mehr.

Wie teuer das Klimaschutz-Debakel für Deutschland wird, ist noch offen. Da voraussichtlich eine ganze Reihe von EU-Ländern 2020 überschüssige Emissionsrechte verkaufen können, könnte sich die Summe in Grenzen halten. Die politische Peinlichkeit, vom CO2-Musterknaben zum -Nachzügler zu werden, dürfte schwerer wiegen – zumal vergleichbare Ländern mit ähnlichen EU-Zielen wie Frankreich (minus 14 Prozent), Schweden (minus 17 Prozent) und die Niederlande (minus 16 Prozent) in der Spur sind.

Kritik von allen Seiten

Die Umweltverbände kritisierten den erneut offensichtlich werdenden Stillstand in der Klimapolitik. Der WWF befand, das sich abzeichnende Verfehlen beider Ziele bedeute eine Bankrotterklärung: „Das reiche Deutschland würde zum klimapolitischen Schlusslicht in der EU.“ Der BUND forderte eine Verkehrswende und eine Abkehr vom Trend zu immer größeren, schwereren und leistungsstärkeren Autos. Jahrzehntelang habe die Bundesregierung dieser Entwicklung nichts entgegengesetzt und „die Automobilindustrie in ihrem klimaschädliche Treiben sogar noch unterstützt."

Kritik kam auch vom Verband der Energiebranche, BDEW: „Wir müssen endlich auch in den Bereichen Verkehr, Wärme und Landwirtschaft den CO2-Ausstoß bepreisen", sagte dessen Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer. Insbesondere der Verkehrssektor sei massiv im Rückstand, was die CO2-Reduzierung angeht. Parallel müsse im Wärmemarkt endlich die steuerliche Abschreibung bei Heizungsmodernisierungen eingeführt werden.

Es sei „ein Unding, dass das beste Instrument für eine Modernisierungsoffensive im Heizungskeller an Streitereien zwischen Bund und Ländern scheitert", so Kapferer. Dieses Thema gehöre auf den Tisch der Koalitionsverhandlungen. Zudem müsse der Energieträger Biogas gleichrangig und diskriminierungsfrei im Vergleich mit anderen erneuerbaren Energien in den Bereichen Wärme, Mobilität sowie in der Stromerzeugung behandelt werden.

 

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